Presse­mitteilung

Gesundheitsministerin Huml: Freistaat muss endlich entlastet werden – Gutachten untermauert Forderung Bayerns nach gerechterer Krankenkassen-Finanzierung

Ein neues Gutachten unterstützt die Forderung von Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml nach Korrekturen am System der Krankenkassenfinanzierung, dem Morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA). Huml betonte am Donnerstag bei der Vorstellung des umfangreichen Textes in Berlin: "Die Benachteiligungen für die in Hochlohn- und Hochpreisregionen wie Bayern tätigen Krankenkassen und deren Versicherte müssen jetzt endlich abgebaut werden! Das Gutachten sorgt für mehr Transparenz und belegt die gegenwärtige Verteilungsungerechtigkeit. Zugleich wird klargestellt, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber der von Bayern vorgeschlagenen Ergänzung des Morbi-RSA durch einen Regionalfaktor bestehen."

Huml erläuterte: "Diese regionalen Unwuchten aus dem Gesundheitsfonds im System sind nicht länger hinnehmbar. Wie wir nun wissen, hat dieser Fehlbetrag zwischen Leistungsausgaben der Krankenkassen und Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds zwischen 2009 und 2014 insgesamt mindestens eine Milliarde Euro erreicht, weil nicht mehr das finanziert wurde, was die Menschen an Leistungen hatten. Das gefährdet den Bestand und die Entwicklung unserer Versorgungsinfrastruktur. Deshalb werde ich mich energisch dafür einsetzen, dass endlich die Benachteiligung Bayerns ein Ende hat!"

Das neue Gutachten zeigt darüber hinaus, dass Bayern nicht nur auf der Ausgabenseite Geld verliert, sondern auch auf der Einnahmenseite Versichertengelder aus Bayern in andere Bundesländer abgeflossen sind. Die Ministerin unterstrich: "Bayerische Beitragszahler sind damit doppelt belastet. Insgesamt kumuliert für die Jahre 2011 bis 2014 haben die bayerischen Versicherten über 5,5 Milliarden Euro mehr geleistet."

Huml führte weiter aus: "Es ist an der Zeit, dass die Kritiker einer Regionalkomponente umdenken. Niemand kann ignorieren, dass 2016 die im Westen tätigen regionalen Krankenkassen in aller Regel höhere Zusatzbeiträge erheben müssen als die im Osten. So können sich insbesondere alle Allgemeinen Ortskrankenkassen in den neuen Bundesländern unterdurchschnittliche Zusatzbeiträge leisten. Das ist nicht allein durch Haushaltsdisziplin und Effizienz zu erklären, sondern beruht vielmehr auch auf Fehlern im System des Morbi-RSA."

Das neue Gutachten stammt von Professor Volker Ulrich von der Universität Bayreuth, Professor Eberhard Wille von der Universität Mannheim und Professor Gregor Thüsing von der Universität Bonn. Es handelt es sich dabei um eine empirische Fortschreibung und Erweiterung sowie um eine gesundheitspolitische Aktualisierung eines Gutachtens vom September 2014. Dieses erste Gutachten hatte bereits gezeigt, dass Krankenkassen vom Gesundheitsfonds zu wenig Mittel erhalten, um ihre Leistungsausgaben für bayerische Versicherte zu decken.

Zu den Ergebnissen des neuen Gutachtens sagte Professor Ulrich: "Natürlich besitzt der aktuelle Morbi-RSA auch regionale Effekte, da die Morbidität eine regionale Dimension besitzt. Er kann aber bestehende Verzerrungen durch regional sehr unterschiedliche Kosten- und Versorgungsstrukturen nicht ausgleichen, da diese bislang nicht berücksichtigt werden. Hier kann eine Regionalkomponente Abhilfe schaffen und damit den erwünschten Wettbewerb stärken. Die Einführung einer Regionalkomponente in den Morbi-RSA würde den Wettbewerb insbesondere dort stärken, wo er auch stattfinden soll, nämlich in den Regionen."

Professor Wille unterstrich: "Der Morbi-RSA besitzt vornehmlich die Aufgabe, den einzelnen Krankenkassen im Wettbewerb um Versicherte gleiche Chancen einzuräumen und Risikoselektion möglichst zu vermeiden. Er sollte daher jene Ausgabenrisiken ausgleichen, die sich als exogene Faktoren dem Gestaltungsspielraum der einzelnen Krankenkassen entziehen. Hinsichtlich der unterschiedlichen regionalen Deckungsquoten der Krankenkassen, d.h. ihrem Verhältnis von Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds zu ihren tatsächlichen Ausgaben, stellen die nachfrageseitigen Einflussgrößen ausschließlich und die angebotsseitigen Determinanten überwiegend solche exogenen Faktoren dar. Ohne die hier geforderte Einführung einer regionalen Komponente in den Morbi-RSA bleibt offen, ob und inwieweit derzeitige Unterschiede in den Deckungsquoten der einzelnen Krankenkassen auf Differenzen in ihrer Effizienz und Effektivität oder auf von ihnen nicht beeinflussbare Faktoren zurückgehen."

Professor Thüsing erläuterte: "Die Ergänzung des Risikostrukturausgleichs um eine regionale Komponente steht mit den Vorgaben der Verfassung klar in Einklang. Eindeutig geklärt ist bereits, dass weder kompetenz- noch finanzverfassungsrechtliche Hürden bestehen. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18.7.2005 präjudiziert nichts Gegenteiliges, stellte er doch lediglich fest, dass eine regionale Komponente auf damaliger Tatsachengrundlage verfassungsrechtlich nicht zwingend erforderlich war. Selbst das könnte heute anders sein, liegen doch mehr Daten vor als ehedem."

War der Datenstand 2005, also noch vor der Umsetzung des Morbi-RSA, eine reine Prognose, gibt es heute eine Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen zu dessen Verteilungswirkungen. Zu deren regionalen Dimension und zu deren Auswirkungen auf Bayern wurde im Auftrag des Bayerischen Gesundheitsministeriums 2014 und 2016 jeweils ein Gutachten erstellt. Das aktuelle Gutachten mit dem Titel: "Die Notwendigkeit einer regionalen Komponente im morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich unter wettbewerbspolitischen und regionalen Aspekten" umfasst 75 Seiten und führt die erste Studie fort, indem es die Jahre 2013 und 2014 betrachtet. Dies ist der letztverfügbare Datenstand und es stellt die einzig verfügbare Objektivierung der regionalen Auswirkungen von Gesundheitsfonds und Morbi-RSA für Bayern in diesem Zeitraum dar.

Das Gutachten ist abrufbar unter

www.stmgp.bayern.de/gesundheitsversorgung/aktuelle-themen/#Morbi-RSA.