Presse­mitteilung

Huml: Neugeborenen-Screening wird weiter ausgebaut – Bayerns Gesundheitsministerin: Babys werden ab August auch auf schwere kombinierte Immundefekte untersucht – Symposium zum 20-jährigen Bestehen

Die Untersuchung von Neugeborenen auf seltene angeborene Stoffwechsel- und Hormonstörungen in Bayern wird ausgeweitet. Darauf hat Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml am Samstag hingewiesen. Huml betonte: "Das Neugeborenen-Screening kann Kinderleben retten. Denn damit können seltene angeborene Hormon- und Stoffwechselstörungen erkannt werden, noch bevor die betroffenen Kinder Symptome entwickeln. Ab August wird das Screening auf schwere kombinierte Immundefekte (SCID) ausgeweitet."

Die Ministerin, die approbierte Ärztin ist, erläuterte: "Kinder mit SCID erkranken bereits in den ersten Lebensmonaten an schweren Infektionen und sterben ohne Behandlung häufig im ersten oder zweiten Lebensjahr. Schätzungsweise werden in Deutschland pro Jahr etwa 20 Kinder mit einem SCID geboren." Wird bei einem Kind eine solche Erkrankung entdeckt, muss es mit strengen Hygienemaßnahmen vor Krankheitserregern geschützt und ggf. mit Antibiotika behandelt werden. Um zu ermöglichen, dass die Kinder eine nachhaltige Immunabwehr aufbauen, können sie eine Stammzelltransplantation erhalten.

Das erweiterte Neugeborenen-Screening auf seltene angeborene metabolische und endokrine Störungen wurde vor rund 20 Jahren – am 1. Januar 1999 – in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) als Modellprojekt in Bayern gestartet. Bundesweit wurde es als Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2005 für zwölf Zielkrankheiten eingeführt. Vor rund 10 Jahren – im Januar 2009 – wurde dann das Neugeborenen-Hörscreening in Bayern flächendeckend eingeführt. Im Jahr 2016 wurde die Mukoviszidose mit aufgenommen und 2018 die Tyrosinämie. Anlässlich dieser Jubiläen hatte das LGL zu einem Fachsymposium im Dr. von Haunerschen Kinderspital der LMU am 13. Juli in München eingeladen.

Huml unterstrich: "Fast alle im Freistaat geborenen Babys werden inzwischen frühzeitig auf 14 seltene schwere angeborene Stoffwechsel- und Hormonstörungen und Mukoviszidose untersucht. Das Screening ist eine Erfolgsgeschichte: Seit der Einführung im Januar 1999 bis Ende 2018 wurden in Bayern 2,2 Millionen Neugeborene im Screening untersucht. Bei 1.912 Säuglingen wurde auf diese Weise eine schwere angeborene Stoffwechsel- oder Hormonstörung frühzeitig erkannt. Mit diesem Screening ist der Freistaat hinsichtlich des Umfangs und durch Sicherstellung der hohen Prozessqualität bundesweit führend. "

Die Ministerin fügte hinzu: "Im Freistaat kommen pro Jahr rund 125 Kinder mit einer angeborenen Stoffwechsel- oder Hormonstörung zur Welt. Ohne Behandlung können diese Störungen zu schwersten geistigen und körperlichen Behinderungen führen – zum Teil sogar zum Tod. Durch das Neugeborenen-Screening ist eine schnelle Behandlung möglich."

Dr. Andreas Zapf, Präsident des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, betonte: "Jährlich werden in Bayern rund 125.000 Neugeborene untersucht. Die Teilnahmequote am sogenannten Neugeborenen-Screening liegt bei 99,9 Prozent. Dabei wird Babys am 2. oder 3. Lebenstag etwas Blut abgenommen und untersucht."

Um sicherzustellen, dass möglichst alle Neugeborenen im Freistaat erreicht und alle auffälligen Befunde durch eine weiterführende Diagnostik abgeklärt werden, gibt es in Bayern seit 1999 ein spezielles bayerisches "Tracking"(Erinnerungs)-System durch den Öffentlichen Gesundheitsdienst (LGL und Gesundheitsämter). Koordiniert wird das Programm durch das Neugeborenen-Screeningzentrum am LGL.  

Zapf ergänzte: "Im Rahmen dieses 'Tracking'-Systems werden alle kontrollbedürftigen Befunde bis zur endgültigen ärztlichen Diagnose aktiv nachverfolgt – und die betroffenen Kinder bekommen eine frühzeitige medizinische Behandlung. Erst dieses System gewährleistet, dass alle Kinder erreicht werden und keines übersehen wird. Daher hat es sich als unverzichtbar herausgestellt."

Von 2005 bis 2019 hat das bayerische Gesundheitsministerium beim Neugeborenen-Hörscreening hierfür insgesamt 2,9 Millionen Euro bereitgestellt. Huml erläuterte: "112 der betroffenen Kinder wären ohne das spezielle bayerische 'Tracking'-Verfahren nicht frühzeitig diagnostiziert und behandelt worden. Wir helfen mit dem Neugeborenen-Screening den Kindern und ersparen den betroffenen Familien viel Leid."

PD Dr. Esther Maier, Leiterin der Sektion für angeborene Stoffwechselerkrankungen am Dr. von Haunerschen Kinderspital der LMU, ergänzte: "Das Neugeborenenscreening unterstreicht die Relevanz einer präventiven Medizin. Die aktuelle Ausweitung auf angeborene Immundefekte bedeutet einen großen Fortschritt für Kinder mit seltenen Erkrankungen."

Die Teilnahme an dem Neugeborenen-Screeningverfahren ist freiwillig und setzt die Einwilligung der Eltern des Neugeborenen voraus. Dem Kind wird zwischen 36 und 72 Stunden nach der Geburt an der Ferse ein Tropfen Blut entnommen. Dieser wird dann im Labor auf angeborene Stoffwechselerkrankungen und schwerwiegende hormonelle Störungen untersucht. Wichtige der derzeit 14 untersuchten Krankheiten sind die Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion; rund 35 Fälle in Bayern pro Jahr), die Phenylketonurie (Störung im Eiweißstoffwechsel, etwa 22 Fälle), MCAD-Mangel (Störung der Fettsäureverwertung, circa 12 Fälle), das Adrenogenitale Syndrom (Unterfunktion der Nebennierenrinde, circa 8 Fälle) oder die Mukoviszidose (Störung des Salzaustauschs in Drüsenzellen, etwa 25 Fälle pro Jahr in Bayern).

Ausführliche Informationen zum Neugeborenen-Screening finden Sie im Internet unter:

http://www.lgl.bayern.de/gesundheit/praevention/kindergesundheit/neugeborenenscreening/